Natur und Kunst
Kunst
kommt von "nicht können".
"no
architects"
Der
Wildwuchs an der Hausfassade der Stadtwerkstadt, ein
langfristiges Projekt der STWST unter
dem Titel "Wilder Efeu".
Es geht um
Kunst, Natur
und ob Technologie anders genutzt werden kann.
Kunst
ist
ein
Begriff, den es schon genauso lange gibt wie die
Menschheit.
Kunst ist untrennbar mit dem Menschen verbunden, sie
prägte die
Meilensteine unsere Kulturgeschichte. Unter anderen
waren einer der
ersten nachweisbaren Schritte die Höhlenmalereien vor
40.000
Jahren.
An sicheren Plätzen wurden von unseren Vorfahren die
Bilder der
Natur gemalt. Es waren die ersten Zeugnisse unserer
Kulturgeschichte.
Die ersten Bilder spiegeln den Wunsch, Nahrung und Natur
ohne Gefahr
abzubilden. Es war die Angst vor der Natur, die uns in
den
Fortschritt und damit in die Kunst trieb. Es war aber
genauso wichtig
diese künstlichen Bilder zu benennen, um Bedeutung und
Information
vermitteln zu können. Die Information ist also
mindestens genau so
alt und ebenso wichtig wie diese
Kunst.
Infolge
ermöglicht
uns die Kunst wichtige kulturelle Entwicklungsschritte
wie Schrift und Buchdruck. Durch die digitale
Informationsverarbeitung der letzten 50-70 Jahren
zeichnet sich ein
weiterer großer Entwicklungsschritt unserer
Kulturgeschichte ab.
Kunst stand immer in Opposition zur Natur und wollte die
Welt
künstlich erschaffen, um sich nicht in Gefahr begeben zu
müssen.
Kunst steht für eine Spielwelt im Spiegelbild der Natur.
Alle
Dinge,
die nicht in der Natur ihren Ursprung haben, müssen
demnach
künstlich sein. Die Welt der Technologie wurde mit
Begriffen wie
Kunstblumen, Kunststoffen, künstlichem Licht,
künstlichem
Haar,
Kunstpelz etc. beschrieben. Die Technik lässt sich bis
zum
gottähnlichen Wunsch fortsetzen, künstliches Leben zu
erschaffen.
Im
Lauf
der Zeit wurden unsere individuellen künstlerischen
Fertigkeiten durch Technologien abgelöst. Das
ursprüngliche
Anliegen, die Natur realistisch abzubilden um damit
Information zu
transportieren, wurde also mit Hilfe von technologischen
Apparaturen
erledigt. Am Beispiel des Fotoapparates konnte sich die
Kunst nun
weiterentwickeln, und öffnete damit Freiräume für
Malerei und
Grafik. Die Bilder die mit Hilfe des Fotoapparates
entstanden wurden
mehr als nur naturgetreue Abbilder der Natur. Es konnten
z.B. die
sozialen Anliegen, Utopien und Sehnsüchte, sowie die
ganze
Kulturgeschichte in die fotografischen Bilder "verpackt"
werden.
Für die BilderschafferInnen brachte dieser
technologische
Fortschritt nur Vorteile. Man musste sich nicht mehr um
das
naturgetreue Abbild kümmern, der/die KünstlerIn hatte
den
Kopf
wieder frei, um Neues zu denken und in Bildern und
Werken umzusetzen.
Es entstand ein neuer Layer der Kunst. Mit der
Technologie entstand
also ein erweiterter Kunstbegriff der nicht nur die
Malerei befreite.
Der Expressionismus, Impressionismus, Surrealismus,
Futurismus,
Bauhaus, Dada, Abstraktionen aller Art bis zur
Konzeptkunst und bis
uns die Einbindung aller verfügbaren Materialien in die
Postmoderne
führte. Doch die Ausgangssituation nach jedem neuen
Layer war
immer
wieder der Spiegel der subjektiven Realität. Der Drang
eine
künstliche Sicht von der Natur und ihren Technologien zu
erzeugen
befreite immer wieder die Genres der Kunst und
ermöglichte damit
kontinuierlich neue kleine kulturelle Meilensteine in
unserer
Geschichte.
Das
Wissen
über die Technologien - nicht deren Anwendung - ist also
für
neue Kunst essentiell. Unser Schaffenswunsch führt uns
also stets
zurück zur Auseinandersetzung und der Erforschung der
Natur. Denn
nach wie vor ist die Vielfalt der Natur nicht
ausgeschöpft. Es
finden sich konstant neue Dinge und wir kennen auch
immer noch nicht
alle Gefahren. Das Wissen darüber lernen wir über neue
Erkenntnisse
natürlicher Vorgänge unter Nutzung bestehender
Technologien.
Wir
abstrahieren es von der Natur. Das Wissen darüber ist
also
künstlich, unser Köper bleibt Natur. Es stellt sich die
Frage
ob
unser Forscherdrang z.B. nach dem Higgs-Teilchen,
möglichen
Überlichtgeschwindigkeiten von Quasaren oder die
Entschlüsselung
des Genoms aus einer Urangst vor der Natur kommt, oder
ob inzwischen
künstliche Konstrukte wie Marktvorteile die Ursache der
Forschung
sind. Die Angst vor der Natur sollte man nicht
unterschätzen, sie
sitzt tief im innersten Ich, denn seit den ersten Tagen
der
Menschheit war die Natur immer ein Feind und
lebensbedrohlich für
den Menschen. Fressen oder gefressen werden, ist eine
Grundregel der
Evolution und schaffte damit die Angst, die sich nach
der
aufgearbeiteten Information darüber meist als
unbegründet
herausstellt.
Zurück
zur
Informationstechnolgie dem aktuellen Meilenstein unserer
Kulturgeschichte. Es scheint, dass der Schritt in die
digitale Welt
unsere gesamte Kulturgeschichte noch einmal spiegeln
wird, um unsere
Künste der Techniken mit einer ganz anderen neuen
Technologie
aufzuarbeiten. Es entsteht dadurch Kunst des
Künstlichen. Das
erste
Bild auf dem Felsen wäre ohne die gleichzeitiger
Schaffung von
Information wertlos. Genau die Information ist es, die
wir nun
verarbeiten müssen. Die "Informationstheorie" machte vor
ca. 70
Jahren den ersten Schritt. Bei genauerer Betrachtung ist
sie aber nur
eine Theorie, um die Nachrichtentechnik zu optimieren.
Sie sagt
über
das Wesen der Information nichts aus. Es ist also
falsch, diese
Technologie weiter als Informationstheorie zu
bezeichnen. (vgl.
Lochmann D., Der Entropieirrtum) Im globalen Netz, das
wir damit
erschaffen haben, wird aber nun Information aller Art
nach neuen
Regeln klassifiziert, transportiert und gespeichert. Ein
Wildwuchs,
den inzwischen die Information selbst nach
Gesichtspunkten des Ratio
steuert! Es setzte die Ökonomie der Information ein.
Kunst und
Information waren und sind noch immer untrennbar
miteinander
verschränkt. Sobald die Kunst über Intuition Neues
schafft,
muss
die Information nachziehen und versuchen dafür Begriffe
formulieren.
Bei aktueller Kunst von Künstlern ist diese noch in
keiner
Technologie vorhanden und die Diskrepanz offensichtlich.
Am Beispiel
der Musik oder abstrakte Malerei: Musik will ohne
Informationskonventionen informieren und richtet sich
dadurch nicht
an unser "künstlich" erworbenes Wissen, sondern versucht
die
in uns verbliebene Natur anzusprechen. Musik ohne
Informationskonvention sind Jodeln, Joiken oder andere
scheinbar
sinnfreie, stimmlich vermittelte Tonfolgen. Uns erreicht
Information,
die im Sinn unserer bekannten Technologie keinen Sinn
macht. Beim
abstrakte Bild ist es ähnlich: Es will gegenstandslos
informieren.
Das alles ist nicht einfach in einer Welt, die von der
"Ökonomie
der Information" geprägt ist. Es zählt nur rationale
sinnhafte
Information, die klassifiziert werden kann. Diese Art
von Kunst ist
mit unserem aktuellen Informationsnetz nicht kompatibel.
Ausgenommen:
- Information
kommt
ins Spiel wenn die
Töne oder die Bilder einen Wiedererkennungswert
durch oftmalige
Wiederholungen haben.
- Wenn
mehrere "sinnhafte" Personen
sich mehrmals über "sinnfreie" Werke unterhalten.
Dazu sind
mindestens zwei RezipientInnen
nötig.
- Wenn
das Werk einen Marktwert hat
und somit Sinn haben muss.
Diese
Faktoren
machen aktuelle Kunst von KünstlerInnen klassifizierbar.
Im
Informationszeitalter
hat es also die neue aktuelle Kunst von
KünstlerInnen nicht einfach. Nur festgeschrieben
überlieferte,
kommerzielle Werke mit gesicherten Werten sind in diesem
Zeitalter
bewertbar.
Fertigung
und
Technologie:
In
vergangenen
Zeiten, in denen Reproduktionen über Technologie und
Handwerk gefertigt wurden, entstanden Betriebe wie
Kunsttischlereien,
Kunstschmieden, Kunstschlossereien usw. Mit dem Wort
Kunst wollte man
ausdrücken, dass man kein normaler Handwerker ist, der
nicht nur
die
Technologie beherrscht, sondern auch zu
Individuallösungen
fähig
ist. Von den ersten Kunstwerken bis zu diesen goldenen
Zeiten des
Handwerks war sicher auch die Definition des Wortes
Kunst über den
Begriff des Könnens richtig. "Kunst kommt von
Können".
Aber mit den fortschreitenden Technologien entstanden
immer wieder
neue Layer und dadurch auch neue Freiräume für die
KünstlerInnen.
Anders
als
unsere KünstlerInnen, die nachdem die Technologie
entwickelt
wurde, nur darüber Bescheid wissen müssen, wenn sie
Neues
schaffen
wollen, nutzt der Kunsthandwerker die Technologie im
praktischen
Sinn.
Die
Kunst
von der Kunst hat sich leider noch nicht etabliert. Es
wären
die KunstkünstlerInnen.
Mit
diesem
praktischen Ansatz setzen wir uns weiter ohne Angst vor
den
neuen Technologien mit den Informationswirren der
Gegenwart
auseinander. Neben der Postmoderne, bei der alle
Materialen und
Handlungen erlaubt sind, entstand durch die
Auseinandersetzung mit
Information, die Kunst der Interaktivität mit den
Technologien und
die Kunst der interdisziplinären simultanen Vernetzung.
Die
Informationstechnologie entwickelt sich schnell, und die
Freiräume
für die Kunst können zur Zeit kaum praktisch genutzt
werden.
Unklar
ist auch, wo man diese Nischen findet, da diese komplexe
Materie der
aktuellen Informationstechnologie
(Nachrichtentechnologie) für
einzelne KünstlerInnen kaum überschaubar ist. Zusätzlich
ist über
die Postmoderne alles erlaubt, was denkbar ist, was für
weitere
Unsicherheit sorgt. Kunst hat aber einen entscheidenden
Vorteil: Alle
Technologien sind künstlich und deshalb ändert sich der
Begriff der
Kunst immer schneller als sich die Technologie
entwickeln kann.
Lösung
des
Dilemmas:
Es
war
dann das Verlangen nach dem Prozess selbst, der
Veränderung,
dem
Erlernen und der Freude am Entstehen. Jene Freude, die
sicher auch
beim ersten Bild vorhanden war, als man es benennen
konnte. Es war
die Arbeit in der Gruppe in Werkstätten und Laboren.
Manche
Personen
in den Laboren beschäftigten sich mit diesen neuen
Informationstechnologien, andere mit der Kunst. Das
ganze Spektrum
und unerlaubtes Querdenken ist heutzutage wichtig für
den Prozess
des Entstehens. Die Labore sind meist abgeschottet, um
nicht im
totalen Vakuum der gegenwärtigen Technologieentwicklung
und
Marktinteressen zu versinken. In diese Labore kann man
keinen Auftrag
im Sinne einer kunsthandwerklichen Anforderungen
abgeben. Diese
Labore sind zurzeit ein Rückzugsgebiet der Kunst. Nur
KunstkünstlerInnen verstehen was gemeint ist und was in
diesen
Refugien passiert. Sie können Ideen einbringen, die dann
vielleicht
aufgegriffen werden. Bei Kunsthandwerksbetrieben kann
man Pläne
abliefern, Plän im Sinn einer genormten Technik. Eine
Technik die
von anderen Handwerksbetrieben, im Informationsnetz, in
Architekturbüros und anderen Kontrollinstitutionen
geprüft
und
klassifiziert werden können.
Will
man
aber Ergebnisse aus einem Labor, so kann man dieses nur
mit Ideen
impfen und auf die Prozesse im Labor hoffen.
Erfolgsgarantie gibt es
hier nicht, es spielt keine Rolle, ob der Auftraggeber
zu seinem
Ergebnis kommt. Weil es einfach nicht wichtig ist.
Einzig, was
zählt,
ist die Lust an der Kreativität. Freigespielt durch die
Technologien
unserer Zeit wird der Prozess zur Kunst. Das
"Nichtkönnen" ist
dabei eine Voraussetzung, um diesen Prozess zu
initiieren. Kunst
kommt also von "Nicht-Können". Ergebnisse, bei
denen
die folgerichtige Lösung und der Erfolg das wichtigste
sind,
sollen
den Handwerksbetrieben überlassen bleiben.
Wir
haben
nun die Möglichkeit, da wir den Kopf durch die neuen
Technologien wieder frei haben, neue Wege zu gehen, um
vielleicht die
Natur irgendwann nicht mehr als Feind fürchten zu
müssen.
Die
Stadtwerkstatt
gibt ihre Fassade nicht an den Architekturkontext
unserer Zeit ab. Sie versucht, mit der Natur - in
Zusammenhang mit
unseren Laboren der Kunst - ein neues Zeichen zu setzen.
Weitere
Themen
wären
noch:
Ist
Information
künstlich
oder
natürlich?
Gibt
es
eventuell
mehrere
Arten der Künstlichkeiten - abseits unserer
Kulturgeschichte? Dafür spricht, daß die Information
auch
aus der
Natur abzuleiten ist und nicht nur in der Kunst
vorkommt.
Ist
Information
auch
in
der anorganischen Chemie oder in der
Teilchenphysik vorhanden dann wird Information auch eine
Frage der
Theologie.
Ist
die
Information
exterritorial?
Was
bringt
die
Information
dem Menschen? Leitet die Information die
Evolution nach einem Bauplan.
Um
diese
wichtigen
Fragen
lösen zu können sollten wir uns neu
strukturieren: Die KünstlerIn schafft Neues, die
InformatikerIn
sollte wieder NachrichtentechnikerIn heissen und die
InformistIn
sollte die Entstehung der Information erforschen.
Die
Akzeptanz
des Irrtums muss ein Weg im Umgang mit der Information
werden.
Quellen:
It
from
bit. John Wheeler
Information
und
der Entropieirrtum. Dietmar
Lochmann
Linz:
Labore
waren
in Linz während der Hochblüte der Medienkunst im Trend
der
Zeit. Leider wurde der Laborbegriff hier nicht als
Forschungsstätte
sondern als "cashcow" für ein Museum der Zukunft
gesehen. Kunst
hat es in dieser Stadt nicht einfach. Auch unsere Kritik
diesbezüglich am neuen Kulturentwicklungsplan wurde bis
jetzt
nicht
gehört. Wir sind neugierig ob die Stadtwerkstatt das
Pendel wieder
abmontieren muss, und die Fassade normieren. Und ewig
grüßt
in Linz
die Nike von Samothrake.